Am vergangenen Freitag fand der diesjährige Landestag der Latein- und Griechischlehrer am Gymnasium Ulricianum in Aurich statt. Zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Schulen und Studienseminaren sowie Vertreter der Universitäten und des Kultusministeriums Niedersachsen waren zu diesem Anlass nach Aurich gekommen.
Lehrerinnen und Lehrer der Fächer Latein und Griechisch in Niedersachsen fanden in Aurich zusammen, um gemeinsam über Entwicklungsperspektiven in der Fachdidaktik und Fachmethodik sowie über aktuelle Fragen der klassischen Sprachen zu diskutieren. In Arbeitskreisen und wissenschaftlichen Vorträgen über zentrale Themen aus der Didaktik, der curricularen Entwicklung sowie der unterrichtlichen Methodik diskutierten die Teilnehmer aktuelle Fragen vor dem Hintergrund gegenwärtiger Veränderungen und Herausforderungen wie z.B. der zunehmend heterogenen Klassen und Lerngruppen.
Zur Eröffnung des Landestages begrüßte der Vorsitzende des Niedersächsischen Altphilologenverbandes, Stefan Gieseke, die Teilnehmer und erläuterte den Bildungswert der beiden altsprachlichen Fächer Latein und Griechisch am Gymnasium. Dabei erinnerte er an die bei dem griechischen Historiographen Herodot überlieferte Geschichte von den Brüdern Kleobis und Biton, die ein eindrucksvolles Zeugnis ihrer Tüchtigkeit gegeben haben, so dass noch heute der Besucher im Museum von Delphi, dem religiösen Zentrum des alten Griechenlands, direkt auf die beiden Statuen des Brüderpaares zugeht. Sie stehen exemplarisch für ein Bekenntnis zur Leistungsbereitschaft in Verbindung mit einer tiefen Verwurzelung in der Ethik.
Ein Grußwort in lateinischer Sprache richtete der stellvertretende Schulleiter des Gymnasiums Ulricianum, Studiendirektor Rüdiger Musolf, an alle Teilnehmer und Gäste. Dabei zeigte er auf, dass die Fächer Latein und Griechisch in der Tradition der nunmehr 360-jährigen Geschichte des Ulricianums fest im Bildungskanon des Gymnasiums verankert sind und einen entschiedenen Beitrag zur Persönlichkeitsbildung vieler Generationen von Schülerinnen und Schülern geleistet haben. In deutscher Sprache erläuterte er dann dem Fachpublikum die für die gesamte Region Ostfriesland einzigartige Einbindung der dritten Fremdsprache in die Stundentafel: So werde z.B. die dritte Fremdsprache nicht wahlfrei, sondern als Wahlpflichtsprache angeboten, so dass der Verbindlichkeitswert der Sprachen als Qualitätsmerkmal der Schule einen festen Kern habe.
Als Vertreter des Ministeriums sprach Leitender Regierungsdirektor Dr. Christian Stock und gab - ausgehend von dem berühmten Zitat aus der Zeit der Humanismus „tempora mutantur et nos mutamur in illis“ (die Zeiten ändern sich und wir ändern uns in ihnen) - vor dem Hintergrund zurückgehender Schülerzahlen und einer sich verändernden Schülerklientel Impulse für eine Neuausrichtung des altsprachlichen Unterrichts. So z.B. sollten zur Vermeidung der einseitigen Kompetenzausrichtung nach Auffassung von Dr. Stock in Zukunft auch andere Aufgabenformate in den Leistungsüberprüfungen ein größeres Gewicht erhalten als bisher. Er gab zu verstehen, dass im Zentrum des altsprachlichen Unterrichts die Vermittlung der Wurzeln unserer europäischen Identität und Werte einer humanitären Gesellschaft stehen.
Der festliche Teil der Tagung wurde musikalisch von der Bläserklasse des Ulricianums unter der Leitung von Imke Brandenburg umrahmt. So spielten die jungen Musiker zum Auftakt des Landestages den ersten Marsch aus „Pomp and Circumstance“ von Edward Elgar (1857-1934). Auch für die anderen Darbietungen erhielten die Schülerinnen und Schüler dankbaren Applaus.
Den wissenschaftlichen Vortrag über „Kommunikation und Weltbezug in der griechischen und römischen Dichtung“ unter der Fragestellung „Was ist poetisches Sprechen?“ hielt Prof. Dr. Kloss aus Heidelberg. Anhand ausgewählter Beispiele aus der Ilias und Odyssee Homers sowie der Aeneis Vergils zeigte er Mechanismen des Textverstehens und der Leserlenkung auf. Dabei legte er die Literaturtheorie Jakobsons zugrunde und arbeitete die jeweiligen Aspekte der auf den Sender oder Empfänger hin konzentrierten Botschaften heraus. In einer überzeugenden Analyse gelang es dem Wissenschaftler, die jeweiligen Funktionen der Kommunikation in der poetischen Sprache aufzuzeigen.
Am Nachmittag fanden sich die Teilnehmer zu verschiedenen Arbeitskreisen ein, in denen auch ein Gedankenaustausch über die unterrichtliche Gestaltung in den Sprachen Latein und Griechisch erfolgte. Dabei wurden vor allem die im Abitur 2017 zugrunde liegenden Schwerpunktthemen in Fachkreisen diskutiert, Möglichkeiten einer praxisnahen und schülerorientierten Didaktik und Methodik ausgelotet und Perspektiven für eine effiziente unterrichtliche Arbeit in den Lerngruppen erwogen. Namhafte Schulbuchverlage unterstützten die Interessenten durch die Präsentation und Vorstellung neuer Lehr- und Lernmaterialien.
Der Landestag der Latein- und Griechischlehrer Niedersachsens am Gymnasium Ulricianum ermöglichte auf diese Weise allen Beteiligten einen intensiven Erfahrungsaustausch und eröffnete Perspektiven für eine moderne und den Veränderungen der Zeit angepasste Unterrichtspraxis an den Schulen des Landes Niedersachsen.
Bericht: Friedgar Löbker
Fotos: Clemens Liedtke