gehalten von Burghard Gieseler

am 20. September 2013 am Ratsgymnasium in Rotenburg (Wümme)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Sie alle heiße ich heute zum Latinistentag des Niedersächsischen Altphilologenverbandes sehr herzlich willkommen. Ich freue mich, dass Sie heute so zahlreich zum Ratsgymnasium nach Rotenburg an der Wümme gekommen sind. Viele von Ihnen dürften schon eine lange und wohl auch beschwerliche Anreise hinter sich haben. Dass Sie dennoch bereit waren, diese Mühe auf sich zu nehmen, zeigt das hohe Engagement niedersächsischer Lateinlehrkräfte. Zugleich deuten wir Ihr großes Interesse an unserer heutigen Veranstaltung als Ausdruck Ihrer Verbundenheit mit dem Niedersächsischen Altphilologenverband und als Zustimmung zu dem Programm, das wir für Sie zusammengestellt haben.

Es erfüllt uns mit großer Freude, dass der Bundesvorsitzende des Deutschen Altphilologenverbandes, Herr Prof. Zimmermann, aus dem schönen, aber doch - jedenfalls aus nordniedersächsischer Perspektive - fernen Breisgau zu uns gekommen ist, um heute Vormittag das Hauptreferat zu halten. Darüber hinaus freue ich mich auch schon sehr auf den heutigen Nachmittag. In den 21 Arbeitskreisen, die wir Ihnen erstmals in drei Durchgängen anbieten, spiegelt sich die ganze Vielfalt und Lebendigkeit unseres Faches wider. Die Mannigfaltigkeit der Themen zeugt sowohl von unserer Entschlossenheit, an Bewährtem festzuhalten, als auch von unserer Freude am Experimentieren und unserer Bereitschaft, neue Wege zu gehen.

Bereits auf unseren Aufruf im Frühjahr hin hatten sich mehrere Kollegen bereiterklärt, heute einen Arbeitskreis anzubieten. Und diejenigen Kollegen, die wir, weil die Zahl der Arbeitskreise noch nicht ausreichte, von uns aus angesprochen haben, haben allesamt spontan zugesagt. Niemand hat uns eine Absage erteilt. Deshalb ist es für mich gewiss keine Formalität, allen Referenten - vom Hochschulprofessor bis hin zum Studienreferendar - in Ihrer aller Namen herzlich zu danken.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich will nicht ausschließen, dass Ihr großes Interesse an der heutigen Veranstaltung neben den von mir schon genannten Gründen auch auf die aktuelle schulpolitische Situation in Niedersachsen zurückzuführen ist. In schweren Zeiten sucht man eben den Schulterschluss mit anderen. Die Absicht der Landesregierung, die Unterrichtsverpflichtung einseitig nur für Gymnasiallehrkräfte anzuheben - um lediglich von dieser Maßnahme zu sprechen - , erfüllt uns - ich sage es in aller Deutlichkeit! - mit Empörung! Dass dieses Vorhaben ausgerechnet zu Beginn der Sommerferien angekündigt wurde, zeugt, nebenbei gesagt, nicht gerade von der in Aussicht gestellten Transparenz und Dialogbereitschaft. In der Sache aber setzt sich natürlich derjenige, der die Unterrichtsbedingungen gezielt an nur einer Schulform verschlechtert, dem Verdacht aus, gegen eben diese Schulform Politik zu machen. Denn auch der Landesregierung dürfte bekannt sein, dass jede wissenschaftspropädeutische Unterrichtsstunde am Gymnasium mindestens eine weitere Zeitstunde am häuslichen Arbeitsplatz erfordert. Da die maximale Arbeitszeit - selbst bei Lehrern - eine natürliche Grenze hat, müssen zusätzliche Arbeitsstunden zwangsläufig dazu führen, dass sich die Arbeitszeit insgesamt neu auf die zu unterrichtenden Schüler verteilt, d.h. mehr Arbeitszeit bedeutet mehr zu unterrichtende Schüler und damit weniger Zeit für den einzelnen Schüler. Damit ist klar: Die geplante Anhebung der Unterrichtsverpflichtung nur für Gymnasiallehrkräfte ist nichts anderes als Bildungsabbau am Gymnasium!

Lassen Sie mich bei der Gelegenheit noch ein Wort zu der Großdemonstration am 29. August sagen. Es hat mich tief berührt und erfüllt mich noch heute mit großer Dankbarkeit, dass so viele Kolleginnen und Kollegen anderer Schulformen nach Hannover gekommen sind. Besonders hat es mich gefreut, dass zahlreiche Lehrkräfte der Grund- und Gesamtschulen in aktiver Solidarität gemeinsam mit ihren Kollegen aus den Gymnasien sich gegen die Beschlüsse der Landesregierung zur Wehr gesetzt haben. Das war ein starkes Signal! Der Versuch, einen Keil in die niedersächsische Lehrerschaft zu treiben, ist fehlgeschlagen.

Die gemeinsame Demonstration in Hannover hat sehr deutlich gezeigt, dass sich die Lehrkräfte der unterschiedlichen Schulformen in Niedersachsen mit gegenseitiger Wertschätzung begegnen. Das war (wenigstens in diesem Maße) nicht immer so und niemand freut sich hierüber mehr als wir. Denn wir sind schon immer für ein vielseitiges Bildungsangebot eingetreten, in dem jeder Schüler seine Stärken entfalten kann und die Chance hat, in seiner Klasse zur Leistungsspitze zu gehören. In unserem Schulwesen wird jede der bestehenden Schulformen gebraucht.

Der Niedersächsische Altphilologenverband hat indessen die rasante Entwicklung bei den Gesamtschulen aufmerksam beobachtet und wir wollen unsere Anerkennung und Wertschätzung gegenüber dieser Schulform dadurch zum Ausdruck bringen, dass wir künftig einen Platz im Vorstand einem Vertreter der Gesamtschulen vorbehalten.

Gleichwohl besuchen nach wie vor mehr als 90% aller Lateinschüler ein Gymnasium. Deshalb wird sich wohl niemand wundern, dass sich der Niedersächsische Altphilologenverband dem Gymnasium in besonders hohem Maße verbunden fühlt. Der schrittweisen Einführung einer Einheitsschule, indem man etwa die Unterrichtsbedingungen am Gymnasium stetig verschlechtert, werden wir uns - gemeinsam mit anderen Verbänden - entschieden entgegenstellen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, der Presse haben wir entnehmen können, dass zu den Maßnahmen, die das Kultusministerium plant, auch die Revision der Kerncurricula gehört. Gebetsmühlenartig erklären immer wieder gewisse Politiker, Journalisten und selbsternannte Bildungsexperten, die Kerncurricula müssten "entrümpelt" werden. Ich kann nicht beurteilen, ob in den Kerncurricula anderer Fächer vielleicht das eine oder andere Entbehrliche steht - , für die Fächer Latein und Griechisch stelle ich jedenfalls unmissverständlich fest: Deren Kerncurricula enthalten keinen Müll, der "entrümpelt" werden müsste. Sollte - angesichts der Tatsache, dass nun wieder die Ideologen die Oberhand zu gewinnen scheinen - mit der Forderung nach einer "Entrümpelung" der Kerncurricula der Verzicht auf Inhalte gemeint sein, so rufe ich gerne noch einmal in Erinnerung: Wir haben die inhaltliche Entleerung unserer Fächer schon einmal verweigert - wir würden das jederzeit wieder tun. Um nicht missverstanden zu werden: Selbstverständlich wären wir bereit, an einer Evaluation und einer behutsamen Nachjustierung der Kerncurricula mitzuwirken. Ein Verzicht auf die Inhalte unserer Fächer ist mit uns aber nicht zu machen. Denn es hat sich, wie die tägliche Arbeit in den Schulen sehr deutlich zeigt, als richtig erwiesen, Kompetenzen an Inhalten auszuweisen. Die niedersächsischen Kerncurricula der Fächer Latein und Griechisch haben sich in der Praxis bewährt. Darüber hinaus haben sie - Herr Prof. Zimmermann wird dies bestätigen können - auch in anderen Bundesländern Beachtung und Anerkennung gefunden. Sie gelten allgemein als beispielgebend, weil es in ihnen gelungen ist, Inhalte, in denen ja der persönlichkeitsbildende Gehalt unserer Fächer liegt, und Kompetenzen miteinander zu verbinden. Anspruchsvoller gymnasialer Literaturunterricht und moderne Kompetenzorientierung bilden also - und darin waren wir uns in den letzten Jahren mit Frau Bergmann ja immer einig - keine Gegensätze.

Meine Damen und Herren, sollte sich hinter der Forderung nach einer "Entrümpelung" der Kerncurricula aber die Vorstellung verbergen, man könne mal eben - ohne dass ein Fach Schaden nähme - die Anforderungen herabsetzen, müsste ich auch in diesem Fall widersprechen. Für die Fächer Latein und Griechisch stelle ich fest: Die Anforderungen - und ich denke, hier ist vor allem an den Bereich der Sprachkompetenz in der Sek. I gedacht - lassen sich keineswegs beliebig reduzieren. Denn das Ziel der Spracherwerbsphase ist doch das Erreichen der Lektürefähigkeit. Erst in der Lektüre der antiken Autoren im sprachlichen Original entfaltet sich vollständig das Anregungspotential unsere Fächer. Sollte also die Lektürefähigkeit nicht erreicht werden, wäre der Sinn des Latein- und Griechischunterrichtes auch nicht mehr erfüllt.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, ein weiteres Thema, das derzeit intensiv in unserem Bundesland diskutiert wird, ist die Länge der Gymnasialzeit - also G8 oder G9. Lassen Sie mich eines vorweg schicken: Bei der Beantwortung dieser Frage darf sich das Ministerium - und das entspricht ja nur seiner eigenen Ankündigung - ausschließlich von Sachargumenten leiten lassen. Sachfremde Gesichtspunkte, ob etwa durch die Entscheidung über die Länge der Gymnasialzeit die eine Schulform gegenüber der anderen einen Vor- oder Nachteil haben würde, dürfen keinesfalls eine Rolle spielen. Hoffen wir, dass dies kein frommer Wunsch bleibt...

Der Niedersächsische Altphilologenverband hatte für die - ohnehin nur ökonomisch motivierte Schulzeitverkürzung - niemals große Sympathien. Da wir jedoch gerade in der Frage der Schulzeit es für problematisch hielten, diese nach nur kurzer Zeit wieder zu verlängern, haben wir bislang die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium nicht gefordert, sondern - besonders auf unserem letzten Latinistentag in Osnabrück - Wege aufgezeigt, die zu einer Entlastung der Schüler führen können. Nun wird aber die Diskussion geführt - und wir können und wollen uns ihr nicht verweigern.

Als die Schulen (noch vor der Schulzeitverkürzung) von der Politik in einen unsinnigen Konkurrenzkampf getrieben wurden und sich in einigen Fällen zu reinen "Action-Schulen" entwickelten - nach dem Motto: wer am häufigsten in der Zeitung steht, egal womit, hat gewonnen - , schon da haben wir regelmäßig darauf hingewiesen, dass sich unser Wort "Schule" von dem griechischen Wort "Schole" - das ist die Muße, die Ruhe, die freie Zeit - herleitet. Auf den genauen etymologischen Ursprung zurückgeführt, bedeutet "Schole" das "Anhalten" - das Anhalten der täglichen Plackerei für den Lebensunterhalt , um sich Zeit zu nehmen, Zeit für konzentrierte geistige Betätigung. "Schule" braucht "Schole". Sie ist die Grundlage für Bildung, wie wir sie verstehen. War die "Schole" schon vor der Einführung von G8, ich sagte es bereits, stark gefährdet, so ist sie nach der Einführung eigentlich gar nicht mehr vorhanden. Schüler, die bis zur achten, in vielen Fällen sogar bis zur zehnten Stunde Unterricht haben, kommen - gerade wenn es sich um Fahrschüler handelt - erst am späten Nachmittag oder am Abend nach Hause. Danach müssen sie noch Hausaufgaben machen und sich ggf. auf Klassenarbeiten und Klausuren vorbereiten oder auch Referate ausarbeiten. Alles erfolgt, wie man sich leicht vorstellen kann, unter großem Zeitdruck - eben ohne "Schole", die aber für eine innere Reflexion über die Lerngegenstände notwendig wäre. Es liegt auf der Hand, dass auch unsere Fächer es unter diesen Umständen schwer haben, ihren persönlichkeitsbildenden Wert zur Geltung zu bringen. Abgesehen davon natürlich, dass die fruchtbare Auseinandersetzung mit den antiken Texten - ich denke hier vor allem an die Bereiche Dichtung und Philosophie - auch eine gewisse Reife voraussetzt, die ihrerseits (bei allen natürlichen Unterschieden) vom Lebensalter abhängt.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, am 16. Mai hat in Hannover eine gemeinsame Sitzung der Fachverbandsvorsitzenden zur Länge der Gymnasialzeit stattgefunden. Alle anwesenden Fachverbände haben sich dort einhellig für eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium ausgesprochen. Besonders haben mich die Ausführungen des Vertreters des Verbandes Deutscher Schulmusiker berührt, der davon berichtete, dass mit der Einführung von G8 zahlreiche Chöre und Orchester in Niedersachsen haben schließen müssen. Der Grund ist immer derselbe: Es fehlt den Gymnasiasten einfach die Zeit, sich über das Obligatorische hinaus zu engagieren. Das betrifft sowohl außerschulische als auch innerschulische Aktivitäten. Denn auch die für das Schulleben so wichtigen Arbeitsgemeinschaften haben es seither schwer. Mit besonderer Sorge sehen wir ferner die Auswirkungen auf die dritte Fremdsprache. Angesichts übervoller Stundenpläne machen viele Schüler - verständlicherweise - von der Möglichkeit, eine dritte Fremdsprache zu erlernen, keinen Gebrauch mehr.

Gleichwohl wäre bei einer Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium der weitgehende Wegfall des Nachmittagsunterrichts auch nicht unproblematisch. Denn es muss berücksichtigt werden, dass sich die gesellschaftlichen Verhältnisse - und zwar keineswegs nur in den Städten - doch erheblich in den letzten Jahren verändert haben. Viele Schüler würden, wenn sie bereits mittags nach Hause kämen, dort niemanden antreffen. Deshalb wäre ein schulisches Betreuungsangebot am Nachmittag unbedingt notwendig. Jede Familie sollte allerdings selbst entscheiden, ob sie dieses Betreuungsangebot annimmt oder nicht. Eine staatliche Zwangsbetreuung, wie sie beispielsweise die Bertelsmannstiftung fordert, wäre hingegen nicht erstrebenswert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wäre ein Betreuungsangebot für den Nachmittag vorhanden, spräche aus unserer Sicht nichts gegen die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium. Im Gegenteil: Auch die Schüler des Gymnasiums haben ein Anrecht auf Freiräume, die sie sich in eigener Verantwortung selbst gestalten können - sei es für schulische Zwecke sei es für außerschulische Zwecke oder sei es, um einfach nur Kraft zu schöpfen. Bildung braucht "Schole". Geben wir den Schülern die "Schole" zurück, die sie brauchen, um sich zu freien und verantwortungsbewussten Persönlichkeiten entwickeln zu können. Oder, lassen Sie uns - wie Sie, Prof. Zimmermann, es in Erfurt so treffend formuliert haben - die Schule "entschleunigen"!

Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich, abschließend, noch ein paar Worte sagen zu einer Diskussion, die in der Erziehungswissenschaft derzeit hohe Wellen schlägt. Die Bedeutung des Lehrers für schulisches Lernen trat nämlich durch die monumentale Studie von John Hattie - "Visible Learning" - wieder in den Mittelpunkt des Interesses - nun allerdings auf einer empirischen Grundlage, die es in diesem Ausmaß in der Pädagogik noch nicht gegeben hatte, und die Hatties Forschungsergebnissen schon eine Aussagekraft verleiht, an der auch deutsche Ideologen nicht so ohne weiteres vorbeikommen. Denn in seine Analyse sind mehr als 50000 Einzeluntersuchungen mit 250 Millionen beteiligten Schülern eingeflossen!

In den letzten Jahren wurde, Sie wissen es alle, die Bedeutung des Lehrers zunehmend marginalisiert und entwertet. Folgerichtig wurde auch das "fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch" als "Frontalunterricht" verunglimpft und als antiquiert und autoritär verworfen. Guter Unterricht, so wurde und wird uns gepredigt, sei derjenige, in dem sich der Lehrer auf die Rolle des "Lernbegleiters" reduziert, der den Schülern den Klassenraum aufschließt, das Smartboard hochfährt und dann, in einer Ecke, für das Sekretariat statistische Fragebögen ausfüllt, während die Schüler selbstorganisiert in Gruppen lernen.

Hattie hat in seiner Studie die Faktoren untersucht, die zu einem effektiven Unterricht beitragen. Die Effektivität von Unterricht hat er - sinnvollerweise - am Lernfortschritt festgemacht. Der entscheidende Faktor für effektiven Unterricht ist - so das Forschungsergebnis der Hattie-Studie auf einen Nenner gebracht - der Lehrer. Aber natürlich nicht der Lehrer, der 45 Minuten lang munter vor sich hin doziert, während die Schüler schlafen, sondern der Lehrer, der seinen Unterricht stringent plant, schülerorientierte und zielführende Methoden wählt, auf größtmögliche Transparenz achtet, den Schülern kontinuierlich eine Rückmeldung über ihren erzielten Lernfortschritt gibt und der dabei sich selbst durch die Augen seiner Schüler kritisch betrachtet.

Werfen wir in diesem Zusammenhang einen Blick auf einen Lehrer, der nichts weniger sein wollte als ein Lehrer, als ein Lehrer, der - im Bewusstsein über ein gültiges Wissen zu verfügen - seinen Schülern die Welt im Monolog erklärt. Ein solcher Lehrer wollte Sokrates, vom dem ich - Sie haben es sich gedacht - spreche, nie sein. Stattdessen hat er sich seinen Schülern zum Dialog angeboten, wobei er meist derjenige war, der die Fragen stellte (vgl. Plat. Apol. 33 a-b). Ihm war bewusst, dass sich Erkenntnis nicht in einem geschlossenen Lehrvortrag - mündlich oder schriftlich - vermitteln lasse, vielmehr bedürfe es eines intensiven gemeinsamen Bemühens von Schüler und Lehrer - getragen von gegenseitigem Respekt und Vertrauen - , bis der Funke überspringt (vgl. Plat. ep. 7, 341b-d) . Sokrates selbst hat sein Tun gerne mit der Maieutik, der Hebammenkunst, verglichen. Ich finde diesen Vergleich recht treffend.

Natürlich geht es Sokrates um mehr als um "messbare kognitive Fachleistungen" (vgl. DIE ZEIT vom 3.1.2013, S. 56), die in der Hattie-Studie untersucht wurden. Auch unser Bildungsbegriff geht darüber hinaus. Er zielt am Ende immer - gewissermaßen als letzte Dimension von Schule überhaupt - auf die Entfaltung einer freien und verantwortungsbewussten Persönlichkeit. Doch, wenn schon das kognitive Lernen eines Lehrers bedarf , um wie viel mehr bedarf die Persönlichkeitsbildung des Schülers der Persönlichkeit des Lehrers?

Eine Gesellschaft, in der allenthalben Zeichen zunehmender Verrohung und moralischer Verwahrlosung zu sehen sind, braucht Werteerziehung. Erziehung zu Demokratie, Gerechtigkeit und Toleranz. Die geistigen Grundlagen unserer Gesellschaft müssen jeder nachwachsenden Generation jeweils neu vermittelt werden.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, lassen Sie sich Ihre verantwortungsvolle Tätigkeit nicht kleinreden. Haben Sie Mut zur Erziehung!

Ich wünsche Ihnen einen anregenden Latinistentag 2013.